Page 165 - Walter Andreas Kirchner - Album
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Franz Heinz
Kohlezeichnung
50x50cm │ 2019
Die Kunst als gemeinsame Wahrnehmung der humanen Existenz
Was mich mit dem Künstler Walter Andreas Kirchner verbindet, war schon immer der Schritt über die ein-
grenzenden Befindlichkeiten hinaus, wie sie regional und gesellschaftlich temporär anfallen, gefördert und
auch gefordert werden. Gemeint ist damit nicht jeder vorsätzliche Entzug von Bindungen und Zugehörig-
keiten, sondern eine andere Wertung von Eigenkräften, die aufwuchern und den Blick auf die Welt unter-
schiedlich ausleuchten oder auch verstellen. Früh schon konfrontiert mit gesellschaftlichen und politischen
Umformungen in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß, wurden uns Entscheidungen abgefordert, auf
die wir nicht vorbereitet sein konnten. Neben dem Verlust staatsbürgerlicher Rechte in Rumänien waren
Deportationen, Enteignungen und gesellschaftliche Ausgrenzung hinzunehmen, die sich zerstörend auf
sämtliche Existenzbereiche auswirkten und schließlich zum nahezu geschlossenen Auszug der deutschen
Bevölkerung aus ihren Siedlungsgebieten im Banat und in Siebenbürgen führten. Es war ein Akt der Selbst-
befreiung, verbunden mit der Preisgabe einer in Jahrhunderten gewachsenen und gepflegten (auch bedroh-
ten) Eigenständigkeit, die vordergründig auf die Erhaltung gesellschaftlicher Grundwerte ausgerichtet war.
Ihre Zerstörung im und nach dem Zweiten Weltkrieg führte zur Preisgabe der Heimatgebiete im Karpaten-
bogen und im südöstlichen Donauraum, die auch eine radikale Veränderung gesellschaftlicher Maximen
und ihrer künstlerischen Umsetzung zur Folge hatte.
Wir wechselten nicht nur das Land, sondern auch den Blick auf die Welt und auf unseren Platz in ihr.
Franz Heinz
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