Page 185 - Walter Andreas Kirchner - Album
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Triumphwagen │ Kohlezeichnung │ 80x120 cm │ 2020
Kirchners vordergründig gesellschaftskritische Bilder wollen nicht politisch sein. Es ist die existentialistische
Selbstwahrnehmung, die uns der Künstler vermitteln will, der Mut zur Wahrheit in und hinter den Dingen als
Voraussetzung für einen tatsächlichen gesellschaftlichen Wandel oder auch nur für einen Hauch
selbstkritischer Einsicht.
Wir wissen, dass die Kunst ihre Aufgabe nicht im Verändern der Welt sieht - sie beschränkt sich darauf, die
Welt zu zeigen, wie sie ist. Das aber enthält alles, was uns dazu einfallen kann. Wer wegsieht, hält sich damit
nicht raus. Kirchner sieht hin, und das macht seine Kunst heutig und ehrlich. Sie zeigt uns hilflos und
einfallslos, ohne Rücksicht auch und abhängig von der medialen Berieselung. Wir sind unempfindlich
geworden für Botschaften jeder Art. Wir vertrauern und veröden, aber wir sind nicht darauf aus, gegen das
vorzugehen, was uns lähmt. Wie Kirchner das darzustellen versteht und, ohne aufdringlich zu wirken,
kompositorisch auf die Aussage hin verarbeitet, verrät den Meister. Da ist nichts Zuviel und nichts
geschmälert. Die Tragik unserer Welt äußert sich in seinen Bildern sowohl in dem, was geschieht, als auch
in dem, was gesellschaftlich unterlassen wird.
Franz Heinz
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