Page 10 - Walter Andreas Kirchner - Album
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Kirchners Skulpturengarten in der Pforzheimer Friedenstraße zeigt fließende Konturen, denn nicht alles ist
                 erkannt und ausgedeutet. Nicht Jedes will zugeordnet sein und bescheinigt, und so bleibt es des Künstlers
                 Vorrecht, auch das Rätselhafte nachzubilden und zu formen.
                 Kirchner braucht dazu die Szenerie und wendet diese sinnfällig und durchaus vordergründig an. Er scheut
                 nicht das Schöne und weiß es vom Gefälligen zu unterscheiden, und dort, wo ihm die Zwischentöne zu
                 verhalten vorkommen, entscheidet er sich eher für eine deutliche Palette. Er wagt das Große Format.
                 Die Marmorgruppe „An der Quelle“ beansprucht ein Ausmaß von 240x180x120 cm und steht damit
                                                                                  doch nur am Beginn seiner großen
                                                                                  Außenanlagen.
                                                                                  Es   sind   Auftragsarbeiten,   die   der
                                                                                  Künstler u.a. in Landshut und Salz-
                                                                                  burg aufstellte, Denkmäler zur Ver-
                                                                                  treibung und zum Heimatverlust der
                                                                                  Ost-   und   Südostdeutschen   nach
                                                                                  dem   Zweiten   Weltkrieg.   Er   selbst
                                                                                  hat seine Banater Heimat verlassen
                                                                                  als sie, auch 35 Jahre nach Kriegsen-
                                                                                  de, weder Schutz noch Geborgen-
                                                                                  heit zu bieten in der Lage war und
                                                                                  den Freiraum des Künstlers als Ge-
                                                                                  horsam auslegte. Es war die Preisga-
                                                                                  be einer in Jahrhunderten erworbe-
                                                                                  nen Heimat und des damit verbun-
                                                                                  denen rechtmäßigen Anspruchs auf
                                                                                  Zugehörigkeit   –   die   unfreundliche
                                                                                  Überstellung in ein aufnahmeberei-
                                                                                  tes freies Land. Halb und halb – so
                                                                                  mochte es wohl weitergehen für ei-
                                                                                  nen, der als Flüchtling ins „Land der
                                                                                  Väter“
                                                                                  zurückkehrte.   In   die   Freiheit   als
                                                                                  Fremder.

                                                                                  Der Landshuter Auftrag fand den
                                                                                  Künstler somit nicht unvorbereitet
                                                                                  vor. Es war – wie hätte es anders
                                                                                  sein können – sein eigenes Thema
                                                                                  von   Flucht   und   Ankunft,   das   er,
                                                                                  kleinfigürlich zunächst, darstellte –
                 Heimatlosigkeit und Herbergssuche. „Gekreuzigt“ – eine Messingskulptur – stellt den hingerichteten Chris-
                 tus vom Kreuz losgelöst dar, schutzlos, verkannt und verlassen. Das Thema „Mutter mit Kind“ schneidet
                 Kirchner ikonenhaft ins Holz, und seine „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ ist sinnbildhaft über das bib-
                 lische Motiv hinaus gehoben.
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