Page 12 - Walter Andreas Kirchner - Album
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zelteile wohl proportioniert einander zugeordnet. Aus dem Basisblock fächert – die donauschwäbischen
                 Schicksalswege anmahnend – die Stele auf, indessen das Sockelrelief  die ihre Kinder beschützende Mutter
                 herausstellt. Ihr zu Füßen erinnert eine liegende Gestalt an das namenlose Sterben auf der Straße. Kirchners
                 an den Rand gesetzte symbolische Kerze mahnt unsere verpflichtende Erinnerung an. Er sieht sich selbst
                 nicht als Außenstehender. Das Salzburger Denkmal ist für ihn mehr als eine gewissenhaft ausgeführte
                 Auftragsarbeit. Kindheitserinnerungen sind damit verbunden, und er sieht sich selbst namenlos inmitten
                 seiner namenlosen Landsleute auf  der Heimatsuche. Er erwähnt „prägnante Bilder“, die er in seinem
                 Inneren bewahrt und auch behalten will. Sie gehören zum Unverlierbaren im Fluchtgepäck, zur Erinnerung
                 und zur Mahnung auch.

                 Kirchners Salzburger Vertreibungsdenkmal ist gegen das Vergessen angelegt – den Kriegerdenkmälern
                 gleich, die in nahezu allen Banater Ortschaften nach dem Ersten Weltkrieg aufgestellt worden sind. Zeugen
                 des tragischen Endes unserer schwäbischen Schicksalsgemeinschaft im Banat – ergänzend zu den Giebel-
                 häusern, den barocken Kirchtürmen und den fruchtbaren Äckern, in die eingebettet die Dörfer liegen.
                 Denn unser eigentliches Denkmal ist das ganze Land Banat. Wir haben daran unseren historischen Anteil.
                 Walter Andreas Kirchner hat diesen – wie vielleicht kein Zweiter – gezeichnet, gemalt, ins Holz geschnitten
                 und in den Stein gemeißelt: Fleiß und Klugheit, Anmut und Würde. Sein Monument auf  dem Salzburger
                 Kommunalfriedhof  will indessen kein Lehrstück für die Nachwelt sein – eher ein Dokument der Vergeb-
                 lichkeit. Mutter und Kind, wie Kirchner es darstellt, haben den Blick von der Heimat abgewandt und einer
                 neuen Hoffnung zugekehrt.
                 Wer das bildnerische Werk Kirchners kennt weiß, wie wichtig ihm die Symbolkraft seiner Kunst ist. Eine
                 humanistische Tiefgründigkeit durchzieht sein gesamtes plastisches Werk, ist Bekenntnis und Verantwort-
                 lichkeit zugleich, Fazit und Vision. Und bleibt offen gegenüber einer sich üppig und frei präsentierenden
                 toskanischen Kunstfülle. Es entstehen makellose, an römische Vorbilder erinnernde Arbeiten. Hat das
                 Schöne nicht dort seinen Ursprung? Es bleiben Träume, es bleiben Fragen und nicht alles will sich erklärt
                 wissen. Kirchners „Flötenspieler“, aufrecht und nackt, bedarf keiner Erläuterung des Figürlichen und sei-
                 ner Sinnerfüllung. Es bleibt die Idylle benachbart mit der Verzweiflung, und so trifft der knabenhafte
                 „Flötenspieler“ in Kirchners Werk unweigerlich auf  den geprüften „Hiob“, auf  das Leid der Welt, das
                 ebenso unabwendbar wie nicht zu ergründen ist.
                 Kirchners „Hiob“ – leidend im Zweifel an der göttlichen Gerechtigkeit, die diesen scheinbar aus der Gna-
                 de ausschließt – entsteht vor dem Hintergrund der eigenen Verzweiflung des Künstlers in den Nach-
                 kriegsjahren. Wie kann Gott das zulassen? – Es ist diese immer wiederkehrende Frage Hiobs, die in Not-
                 lagen gestellt wird. Gott aber schweigt und überlässt es dem Geprüften selbst, zu entschlüsseln was war-
                 um geschieht. Kirchners Kunst kehrt immer wieder zu den Grundfragen der Existenz zurück, zur huma-
                 nen Befindlichkeit zwischen Himmel und Erde. Die letzte Wahrheit mag uns verborgen bleiben, und so
                 wird auch sein gestürzter „Prometheus“ – 2010 entstanden – den Aufstand wieder und wieder proben. Es
                 scheint die Einsicht ins Unabänderliche Kirchners Sache nicht zu sein.
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